Storytelling in der Lehre

Der Beitrag ist zuvor erschienen in der Planspiellabor Infomail (Februr 2020).

Storytelling beschreibt eine Methode, bei der Wissen und Informationen über das Erzählen einer Geschichte mit Leitmotiven und Metaphern transportiert werden. Zugegebenermaßen ist Storytelling zu einem Modewort geworden, aber dennoch ist und bleibt es ein hilfreiches Tool. Und warum soll etwas, was im Wissensmanagement in Firmen oder im Marketing gut funktioniert, nicht auch eine hilfreiche Heuristik zur Strukturierung von Lehrveranstaltungen sein?

Die Grundidee hinter Storytelling ist, dass sich Menschen Geschichten, die an Emotionen anknüpfen, besser merken als lose aneinandergereihte Fakten. Das bedeutet für eine Lehrveranstaltung, dass das zu vermittelnde Wissen in eine Geschichte eingebettet werden kann. Zu einer guten Geschichte gehören neben dem Handlungsablauf auch Charaktere, wie zum Beispiel eine Heldin oder einen Helden. Die Heldenreise ist eine viel verwendete, allerdings – in ihrer vollständigen und klassischen Form – auch verhältnismäßig komplexe Storytelling-Grundstruktur, auf dir wir hier nicht im Detail eingehen, aber auf den Wikipedia-Eintrag für einen Überblick verweisen [1].

Ein einfacheres Grundgerüst ist die story spine [2]. Ein Erzählmuster, dem auch die meisten Märchen folgen:

  • Es war einmal …
  • Jeden Tag …
  • Dann eines Tages …
  • Deshalb …
  • Deshalb …
  • Bis schließlich …
  • Seitdem …

Es war einmal etabliert einen Charakter, den Helden der Geschichte (als Beispiel ein Junge, mit einer runden Brille, der bei seiner Tante und ihrer Familie lebt). Jeden Tag erzählt von der Routine des Helden (der Junge wird von seiner Pflegefamilie schlecht behandelt und schikaniert). Doch dann eines Tages passiert etwas Außergewöhnliches, die Routine wird durchbrochen (der Junge erfährt, dass er ein Zauberer ist). Und so kommen auf einmal ganz viele Steine ins Rollen: Deshalb passiert das eine (der Junge kommt auf eine Zauberschule), deshalb dann nochmal was (er muss sich seiner Vergangenheit und einem bösen Zauberer stellen),  … Bis schließlich eine Lösung gefunden wird oder der Feind besiegt wird (der Junge besiegt den bösen Zauberer). Und seitdem leben sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage, womit eine neue, oft eben – da ja Märchen – bessere Routine etabliert wird (der Junge heiratet, gründet eine Familie, in der alle glücklich zusammenleben).

Wie kann man diese Muster aber nun auf die Lehre übertragen? Zum Beispiel bietet sich diese Struktur immer dann an, wenn man einen Überblick über ein Forschungsfeld vermitteln möchte, in dem eine lange Zeit etablierte Hypothese in Frage gestellt wird oder durch eine neue ersetzt wird. Hier ein Beispiel aus der Politischen Soziologie, wo die Parteiidentifikation unsere Heldin ist.

In der Wahlforschung galt lange Zeit die Parteiidentifikation als ein guter Prädiktor für Wahlverhalten (Es war einmal). Viele Studien konnten zeigen, dass es diesen Zusammenhang in unterschiedlichen Kontexten gibt (Jeden Tag). Doch dann gab es Studien, die zeigten, dass die Parteiidentifikation sinkt. Sinkt dann damit auch die Bedeutung zur Erklärung von Wahlverhalten (Dann eines Tages)? Und so gab es verschiedene Studien, die dieses Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchteten und auch andere Faktoren betrachtet haben (Deshalb). So hat sich die Meinung durchgesetzt, dass der Zusammenhang etwas komplexer ist (Bis schließlich). Seitdem weiß man, dass die Parteiidentifikation, auch wenn sie sinkt, immer noch ein guter Prädiktor für das Wahlverhalten ist, dass aber andere Faktoren auch eine wichtige Rolle spielen.

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Heldenreise

[2] https://www.aerogrammestudio.com/2013/03/22/the-story-spine-pixars-4th-rule-of-storytelling/

Debriefing nach Planspielen

Gemeinsamer Beitrag mit Claire Perrot-Minot; zuerst erschienen auf dem Newsfeed des Planspiellabors.

Wenn Sie selbst schon an einem Plan­spiel teil­ge­nom­men haben, ken­nen Sie die­ses Ge­fühl: Nach der Spiel­pha­se sind Sie noch ganz auf­ge­regt, Sie über­le­gen und tau­schen sich mit Ihren Mit­spie­len­den aus, warum Sie wel­che Ak­ti­on un­ter­nom­men haben und was Sie an die­ser oder jener Stel­le hät­ten an­ders ma­chen kön­nen. Sie kön­nen das Spiel nicht ab­schlie­ßen, es gibt noch vie­les zu dis­ku­tie­ren! Um diese Ge­dan­ken zu struk­tu­rie­ren, gibt es zum Glück das De­brie­fing. Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler kön­nen es nicht oft genug wie­der­ho­len: Die wich­tigs­te aber am meis­ten ver­nach­läs­sig­te Phase des Plan­spiels ist das De­brie­fing. Warum ist es aber so wich­tig?

Auf der einen Seite sind Plan­spie­le ein Er­leb­nis: Die Teil­neh­men­den schlüp­fen in eine Rolle und wer­den mit einer Fülle an Er­eig­nis­sen und Emo­tio­nen kon­fron­tiert, gar über­for­dert (Powers, 2014, 15). Au­ßer­dem haben die Teil­neh­men­den nur ein be­grenz­tes Bild davon, was in dem Plan­spiel pas­siert, da sie das Spiel aus der Per­spek­ti­ve ihrer Rolle sehen (Pe­ters & Vis­sers, 2004, 70). Auf der an­de­ren Seite hat die Lehr­per­son Lern­zie­le fest­ge­legt und diese bei der Aus­wahl oder der Ent­wick­lung des Plan­spiels be­rück­sich­tigt. Auf das, was tat­säch­lich wäh­rend des Plan­spiels statt­fin­det, kann sie nur ein­ge­schränkt Ein­fluss neh­men.

Ein struk­tu­rier­tes De­brie­fing führt die Teil­neh­men­den durch ver­schie­de­ne Pha­sen: Sie kön­nen erst­mal ihre Ge­füh­le und Emo­tio­nen aus­drü­cken; a­nach wird der Spiel­ab­lauf dis­ku­tiert, somit glei­chen die Teil­neh­men­den ihre In­for­ma­tio­nen und Per­spek­ti­ven auf eine Si­tua­ti­on ab; dar­auf auf­bau­end kön­nen sie jetzt das Spiel und sämt­li­che Schlüs­sel­mo­men­te ana­ly­sie­ren, bevor sie den Ver­gleich mit der Rea­li­tät und Trans­fer in diese an­ge­hen. Diese vier Pha­sen aus dem EIAG-Mo­dell von Sta­dsklev (1980) be­ant­wor­ten die zuvor ge­nann­ten Fra­gen, warum das De­brie­fing so wich­tig ist. Auf der einen Seite er­laubt es den Teil­neh­men­den, ihre Emo­tio­nen los­zu­wer­den und ihre Rolle zu ver­las­sen. Dar­über hin­aus kön­nen sie ihr Bild vom Plan­spiel ver­voll­stän­di­gen und even­tu­ell auch Ur­sa­chen und Kon­se­quen­zen ihrer Ak­tio­nen, die ihnen bis­her ver­bor­gen ge­blie­ben sind. Somit wer­den schließ­lich die Teil­neh­men­den in die Lage ver­setzt, die Zu­sam­men­hän­ge und die da­hin­ter­ste­hen­den Theo­ri­en und Me­cha­nis­men, die Schwer­punkt des Plan­spiels waren, zu er­ken­nen und sich an­zu­eig­nen. Das Ganze wird durch den Trans­fer in die Rea­li­tät ver­fes­tigt.

Das De­brie­fing ist ei­ner­seits die ge­mein­sa­me Re­fle­xi­on des Er­leb­ten im Hin­blick auf das Wis­sen und die In­hal­te, die im Plan­spiel ver­mit­telt wur­den, sowie an­der­seits im Hin­blick auf die Fä­hig­kei­ten, die die Teil­neh­men­den wäh­rend des Plan­spiels er­wor­ben haben.

Li­te­ra­tur

Pe­ters, V. A. M., & Vis­sers, G. A. N. (2004). A sim­ple clas­si­fi­ca­ti­on model for de­brie­fing si­mu­la­ti­on games. Si­mu­la­ti­on & Ga­ming, 35(1), 70–84

Powers, R.B. (2014). How I be­ca­me ad­dic­ted to si­mu­la­ti­ons and games. Si­mu­la­ti­on & Ga­ming, 45(1), 5-22

Sta­dsklev, R. (1980). Hand­book of si­mu­la­ti­on ga­ming in so­ci­al edu­ca­ti­on. Uni­ver­si­ty, AL: In­sti­tu­te of Hig­her Edu­ca­ti­on Re­se­arch & Ser­vices.

Simulation Game Lab at Zeppelin University

Not really new but still worth to mention. Together with my colleague Alexander Ruser, I received funding for a Simulation Game Lab at Zeppelin University from the Ministry of Science, Research and Art Baden Wuerttemberg. Aim of the Lab is to change the learning environment that learning at universities becomes more diverse, participative, and active. In July 2018, we started with the project and we look forward to the next 2.5 years.  If you want to know more, check out our webpage (so far only in German but this will be changed soon hopefully).